Es gibt heute wieder einen Bericht unabhängig von der Baustelle und der Schule, da es uns wichtig ist, unsere Eindrücke von gestern zu teilen.
Als der Regen gestern anfing, waren wir noch guter Dinge und haben Witze gemacht. Wir haben uns den Nachmittag mit Kartenspielen beschäftigt und waren zum ersten Mal für mehrere Stunden im Haus. Nach circa 6 Stunden hörte der Regen auf und Simon hat uns gefragt, ob wir ein wenig durch die Straßen fahren möchten, um uns anzuschauen, wie sie nach dem Unwetter aussehen.
Wir waren geschockt über das, was wir gesehen haben!
Sämtliche Felder im Umland von Torbeck waren überschwemmt. Die Menschen standen teilweise bis über die Knie im Wasser. Viele Wellblechhütten sind ohne Fundament direkt auf dem Lehmboden gebaut, in ihnen stand knietief das Wasser. Simon erzählte uns, dass viele Familien heute Nacht nicht schlafen konnten, da sie sich aufgrund des Wassers natürlich nicht auf dem Boden legen können.
Die Straßen waren teilweise überschwemmt, da die Brücken nicht hoch genug sind, um die Wassermassen zu bewältigen. Wir sind mit unserem Bus nur mühsam voran gekommen. Angekommen in Les Cayes bot sich uns ein Bild des Schreckens. Im unteren Teil der Stadt nahe dem Meer stand gut 50 cm hoch das verdreckte Wasser. Der Müll, der sich normalerweise in den Straßen häuft, wurde durch das Wasser mitgerissen und schwappte an die Häuserwände. An Kanalisation ist nicht zu denken.
Nur wenige Bewohner trauen sich mit ihren Autos auf die Straße und auch wir waren kurz unsicher, ob der Bus es schafft. Viele bleiben mit ihren Motorräder liegen und schieben sie schwerfällig durch das Wasser. Die Stadt wirkt durch den geringen Lärm wie eingeschläfert. Die Marktstände sind verwaist, kein lautes Diskutieren ist zu hören. Doch die Menschen sind weiterhin auf der Straße, wo sollen sie auch hin, und waten zu zweit oder zu dritt durch das Wasser.
Das Erschreckendste ist die Normalität. Die Menschen sind gelassen und entspannt. Sie kennen diese Situation, sie haben keine Angst oder trauern um ihre Habseligkeiten. Sie wissen, das Wasser kommt, steht einige Zeit 50 cm hoch in ihrem Wohnraum, und es wird in einiger Zeit wieder gehen.
Für niemanden sollte so ein Zustand Normalität sein!